:Das bestandene Abenteuer einer Windowssteuer-Rückerstattung:
Über den Weg die gewünschte Hardware ohne die missliebige Software erwerben zu können
Vor rund zwei Monaten erlag ich dem Charme eines Klappcomputers zu einem äusserst verlockenden Preis. Als überzeugter Linux-Evangelist startete ich den Versuch, den winzigweichen Bug[1] auf der Festplatte zu fixen – mit Erfolg: Trotz einigem Aufwand habe ich es geschafft, die Lizenzzahlung des vorinstallierten ProblemOS rückerstattet zu bekommen. Von der abenteuerlichen Reise, eine proprietäre[2, 3] Linux-Alternative[4] los zu werden, will ich hier berichten.
Sowohl aus ideologischen als auch pragmatischen Gründen hat es mich geärgert, für Software, die ich weder haben noch nutzen will, automatisch bezahlen zu müssen. Schon um ein Zeichen gegen die allgemein anerkannte GEMA-[5] Windows-Vermutung zu setzen, fand ich die Lösung Schwamm drüber und einfach die Festplatte neu formatieren höchst unbefriedigend – Mir ging es also weniger um den Geldbetrag an sich als vielmehr darum symbolisch Flagge zu zeigen.
Die Eingabe der Wortfolge Windows Lizenz zurück in eine bekannte Suchmaschine brachte eine Vielzahl mutmachender Ergebnisse zutage. U.a. wurde mehrfach auf ein französisches Urteil von April 2012 verwiesen mit Hinweis auf europäische Relevanz, das ein Kläger in 2. Instanz gegen den Computerhersteller Asus gewonnen hatte, und welches diesen dazu verpflichtete, Lizenzzahlungen für nicht gewünschte und benutzte Software an den Kläger rückzuerstatten. Dieses Ergebnis machte mir Mut, handelt es sich doch in meinem Fall um einen Rechner des gleichen Herstellers.
Der Versuch der Kontaktaufnahme über das Kontaktformular schlug über den Zeitraum von zwei Tagen mit einem server temporary busy
fehl. Mit der Zeit fand ich das ziemlich untemporary, stöberte auf der Webseite umher und schrieb an eine andere Service-Adresse folgende Mail:
Guten Tag! Ich habe am 14.8.2012 in 41462 Neuss das Notebook G73JH - TY210V gekauft. Da ich nicht vorhabe den Lizenzbedingungen der vorinstallierten Software zuzustimmen und ebenso wenig vorhabe diese zu benutzen, sondern den Rechner mit Linux betreiben werde, wuensche ich eine Rueckerstattung der Kosten der fuer mich wertlosen installierten Software. Es gibt diesbezueglich einschlaegige Gerichtsurteile im europaeischen Raum, die dem Kunden dieses Recht zugestehen - entsprechende Links kann ich bei Interesse gerne nachreichen! Bitte lassen Sie mir entsprechende Informationen zukommen, wie die Rueckerstattung der Lizenzkosten vonstatten gehen soll. Vielen Dank. Mit freundlichen Gruessen
Recht zügig antwortete mir ein Kontaktpartner und bat mich, die Seriennummern von Gerät und Betriebssystem, sowie den Nachweis eines Kaufbelegs einzureichen. Dem kam ich natürlich gerne nach und erhielt im Gegenzug verschiedene Dokumente, in denen die weitere Verfahrensweise mitsamt einer Vielzahl an Gründen für die Ablehnung einer Lizenzkostenrückerstattung aufgelistet war. Unpassenderweise kamen die Dokumente im unfreien MS-Office-Format, was zu Schwierigkeiten mit dem Öffnen der Dateien aufgrund meiner MS-freien Zone führte. Eine aktuelle Knoppix-DVD[6] mit halbwegs aktuellem LibreOffice[7] half nach einigen Versuchen aber weiter.
Nach Ausfüllen eines Formulars unter Angabe einer dermaßen großen Anzahl an Einträgen, die einer binären Entblößung ähnelte, mußte ich selbiges mitsamt den mitgelieferten DVDs (für die mir als einzige Verwendung eh nur einfallen würde ein Bier drauf zu stellen), der Zusicherung des Löschens der Festplatte (was ich ja eh vor hatte) und (ganz problematisch) den Lizenzaufkleber per Analog-Post einschicken. Den Aufkleber abzubekommen war ein weiteres Abenteuer, da dieser extrem fest klebte, einem unbedarften Versuch sicher zum Opfer gefallen wäre und somit zur Ablehnung der Rückerstattung geführt hätte. Mir wurde empfohlen, einen Fön zuhilfe zu nehmen, was trotz anfänglicher Skepsis funktionierte.
Nun alles beisammen schickte ich mit gemischten Gefühlen einen Brief auf die Reise, dessen Ankunft nach kurzer Zeit mit Bekanntgabe meiner RMA-Nummer[8] quittiert wurde – erste Erleichterung machte sich breit. Mir wurde allerdings mitgeteilt, dass die Überweisung des Geldbetrags durchaus 3 Wochen dauern kann, was es auch getan hat.
© www.linux-praktiker.de: Der Beweis der Lizenzkosten-Rückerstattung
Als ob das noch nicht genug wäre, werden einem seitens des Rechners weitere Stolpersteine in den Weg gelegt. Vermutlich alles, um den Besitzer des Rechners dazu zu bewegen, aufzugeben und diese recht merkwürdige Software doch zu benutzen:
Mein erster Weg führte mich ins BIOS, um erst mal die richtig vermutete falsch eingestellte Boot-Reihenfolge in die gewünschte Ordnung (USB, CD, Festplatte) zu bringen. Aufgrund eines veralteten BIOS interessierte das den Rechner aber überhaupt nicht und er bootete trotzdem von Festplatte! Mir wurde berichtet, dass bei älteren Windows-Versionen noch die Möglichkeit des Ablehnens der Lizenzbedingungen bestand. Bei Windows 7 wurde vom Hersteller dieses Konzept aber dahin gehend erweitert, dass man weder ablehnen noch abbrechen kann – es gilt also sprichwörtlich die Windows-Vermutung. Da mir aber klar war, dass ein Bestätigen der Lizenzbedingungen zum Verlöschen des Anspruchs auf Rückzahlung bedeuten würde, gab es als einzige Option das Ausschalten des Rechners, was natürlich zu einem dreckigen Dateisystem[9] und der wohl beliebten Meldung Windows wurde nicht ordnungsgemäß heruntergefahren ... führte. Glücklicherweise fand sich aber auf der Seite des Rechnerherstellers eine aktuellere BIOS-Version, welche das nächste Problem bot: Wie bitte soll man mit freier Software ein BIOS-Update durchführen, wenn die etablierten Hersteller eben jene geflissentlich zu ignorieren pflegen?! Der Erwerb einer Windowslizenz als Möglichkeit, mein BIOS flashen zu können, um dann anschliessend Windows los zu werden, kam jedenfalls aus wohl bekannten Gründen für mich nicht in Frage! Nach einigen zeitaufwändigen Experimenten half mir eine FreeDOS-CD[10, 11] unter Ausschalten eines Treibers beim Booten weiter und ich konnte endlich flashen und anschliessend wie gewünscht den Rechner von USB booten. Zumindest fast: Denn als nächstes stellte ich fest, dass der eingebaute Kartenleser zwar funktionsfähig war, man von ihm aber trotzdem nicht booten kann (ein Phänomen, welches ich übrigens bei zahlreichen Rechnern diagnostiziert habe!). Es ist zu hoffen, dass der Hersteller ein weiteres BIOS-Update nachlegt – mitgeteilt habe ich ihm diesen Fehler jedenfalls!
Hier hilft dann aber doch die Methode Schwamm drüber – booten via USB-Stick oder SD-Karte über einen externen Kartenleser funktionierte. Jetzt endlich konnte es ans Installieren gehen ...
© www.linux-praktiker.de: Der schönste Moment der Operation Windows weg
Meinen Weg zum Linux-Glück beschreibe ich hier.
Update 2014/09/17: Erfreulicherweise gibt es ein weiteres italienisches Gerichtsurteil[12], welches den Druck auf die Händler erhöht diesen Unsinn endlich abzustellen und die Argumentationskraft der linux-affinen Kunden gegenüber den Händlern stärkt.
Status: stable